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Auf Initiative der Professur
Historische Pädagogik der Philosophischen Fakultät II der Universität
Potsdam (Prof. Dr. Hanno Schmitt), der ihr angeschlossenen Forschungsstelle
für Berlin-Brandenburgische Bildungsgeschichte (Dr. Frank Tosch) und
des Landratsamtes des Kreises Potsdam-Mittelmark (Amtsleiter Bodo Rudolph)
diskutierten am 19. Februar 1999 über zwanzig Teilnehmer in einem
Arbeitsgespräch kulturelle und bildungshistorische Perspektiven des
Rochowschen Schlosses in Reckahn. Teilnehmer waren u.a. Prof. Dr. Rudolf
W. Keck (Uni Hildesheim), Prof. Dr. Uwe Sandfuchs (TU Dresden); Prof. Claus-Peter
Gross (Berlin), Dr. Karl-Walter Beise (HdK Berlin) und Dr. Michael Niedermeier
(HU Berlin). Die einzelnen Diskussionsbeiträge stimmten darin überein,
daß es nur mit einem umfassenden Entwicklungskonzept gelingen kann,
die in Reckahn wohl einmalig vorhandenen Möglichkeiten - sowohl sinnstiftende
historische Zusammenhänge museal als auch mit Aktualität und
zum Anfassen für die Entwicklung des Tourismus - zu nutzen.
Die architektonisch weithin
geschlossene Dorfanlage aus dem 18. Jahrhundert mit dem heute nahezu leerstehenden
Rochowschen Schloß (1729), einem dazugehörigen Schloßpark
mit Anbindung an das Flüßchen Plane, einer Barockkirche (1739)
und dem Schulmuseum im bereits restaurierten Rochowschen Schulhaus (1773)
führten zu der Frage, wie Reckahn unter Einbeziehung von Architektur
und Geschichte dieses historischen Ensembles und unter Nutzung weiterer
umgebender Landschafts- und Kulturelemente (wie z.B. 70 ha Fischteiche,
ein Gräberfeld, eine Feldsteinpyramide...) zu einem Ort des sanften
Tourismus hin entwickelt werden kann. Eine museale Konzeption für
das Schloß muß daher von der Entwicklung des Gesamtensembles
gedacht werden. Diese sollte so weit angelegt sein, daß dabei sowohl
die bildungshistorischen und pädagogischen Leistungen Friedrich Eberhard
von Rochows als auch seine ökonomischen - hier insbesondere als Neuerer
der Landwirtschaft - , seine landschaftskolonisatorischen und sozialreformerischen
Impulse nicht nur für Reckahn eine umfassende Würdigung erfahren.
Michael Niedermeier empfahl, die Pückler-Gesellschaft mit ihrer Kompetenz
und Erfahrung für ein Landschaftsgartenkonzept einzubeziehen, auch
mit der Perspektive, eingehende wissenschaftliche Forschungen anzuregen.
Die Diskutanten Gross, Keck
und Sandfuchs betonten, daß an dem bestehenden guten Kern eines Schulmuseums
im Rochowschen Schulhaus mit jährlich weit über 4 000 Besuchern
angeknüpft werden sollte. Sie hoben hervor, daß es gelingen
muß, eine entsprechende infrastrukturelle Entwicklung in Reckahn
auf den Weg zu bringen, die den Ort als Museumsstandort für eine breite
kulturell interessierte Öffentlichkeit aller Altersstufen attraktiv
und bekannt macht. Für den langfristigen Betrieb eines Museums ist
der vorhandene Fundus mit anziehenden Exponaten (z.B. zur Geschichte der
märkischen Landwirtschaft) eine wichtige, nicht zu unterschätzende
Größe, da Neuanschaffungen sicherlich nur in geringem Maße
in Betracht kommen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Überlegung
geäußert, daß aus den umfangreichen Beständen des
Museums für Kindheit und Jugend in Berlin (50 000 bis 70 000 Exponate
sind derzeit auf drei Lager verteilt und können nicht gezeigt werden)
ausgewählte Leihgaben als Zwischenlösung in Reckahn präsentiert
werden könnten. Der Leiter des Reckahner Schulmuseums, Otto Günther
Beckmann, und Hanno Schmitt unterstrichen, daß die Koordinierung
aller inhaltlichen und organisatorischen Aufgaben nur realisierbar wird,
wenn es dauerhaft gelingt, hierfür eine Stelle zu etablieren. Deren
Inhaber sollte das Projekt vorantreiben und dabei die vorliegenden Erfahrungen
in Reckahn mit den künftigen Herausforderungen zusammenführen.
Erste konkrete Schritte, Reckahn als Kulturfaktor zu erschließen,
könnten z.B. regelmäßige Kirchenkonzerte, thematische Ausstellungsprojekte
in dem schrittweise zu sanierenden Rochowschen Schloß und touristische
Familienangebote zum Wandern, Reiten und Angeln sein. Eine einfache Holzbrücke
über die Plane würde schon jetzt einen kulturhistorischen Rundgang
mit zahlreichen Entdeckungen ermöglichen. Karl-Walter Beise erinnerte
daran, daß es in ganz Deutschland keine museale Einrichtung gibt,
die sich vollständig selbst trägt. Für die Lebensfähigkeit
eines entstehenden Museumsparkes sei die Multifunktionalität seiner
Anlage entscheidend, um sowohl kulturellen als auch wirtschaftlichen Intentionen
langfristig gerecht zu werden. Hier liegt letztlich auch die Chance, neben
einer wohlwollenden Öffentlichkeit für einen Reckahner Museumspark
die notwendigen Fördertöpfe unterschiedlichster Provenienz zu
gewinnen!
Die Organisatoren dieses
ersten Arbeitsgespräches signalisierten ihre Bereitschaft, die Reckahner
Gespräche - künftig durchaus auch an einzelnen thematischen Fragen
der Projektentwicklung orientiert - in erweiterter Zusammensetzung fortzuführen.
Sie sehen darin eine Möglichkeit, insbesondere dem Landkreis Potsdam-Mittelmark
für die kommenden Entscheidungsprozesse die notwendige fachliche Beratung
und Unterstützung seitens der Wissenschaft zu gewähren.
Frank Tosch
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