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HBO Datenbank - Bericht

Autor: Schmitt, Hanno; Tosch, Frank; Sippach, Antje
Titel: Schloss Reckahn als Haus der brandenburgisch-preußischen Bildungsgeschichte
Erscheinungsjahr: 2001
zusätzl. Angaben zum Autor: Universitaet Potsdam
Text des Beitrages:
 

Die 300. Wiederkehr der Selbstkrönung Friedrich III. zum König in Preußen (Friedrich I.) 1701 nehmen die Länder Berlin und Brandenburg zum Anlass, in einem gemeinsamen Projekt "Preußen 2001 - Facetten einer Epoche" die Geschichte Preußens in zwei zentralen Ausstellungen (Charlottenburg und Potsdam) sowie in zwölf dezentralen thematischen Projekten (je sechs in Berlin und Brandenburg) museal aufzubereiten. 
Prof. Dr. Hanno SCHMITT sowie Dr. Frank TOSCH vom Institut für Pädagogik ist es gemeinsam mit dem Förderverein "Historisches Reckahn" in einjährigen Verhandlungen gelungen, im Zuge des Preußenjahres 2001 unter bildungshistorischem Aspekt eine einzigartige und in der gegebenen Konstellation wohl einmalige Projektförderung von Bund, Land und Landkreis Potsdam-Mittelmark im Finanzierungsvolumen von 2,5 Mio. DM zu erlangen. Im Mittelpunkt steht die Sanierung des Rochowschen Schlosses in Reckahn als künftiges Haus der brandenburgisch-preußischen Bildungsgeschichte und die dortige Einrichtung einer Dauerausstellung mit dem Titel "Vernunft fürs Volk - Friedrich Eberhard von Rochow im Aufbruch Preußens".
Das südlich der Stadt Brandenburg / Havel gelegene Reckahn ist untrennbar mit dem Wirken des märkischen Adelsgeschlechts derer von ROCHOW, besonders mit Friedrich Eberhard von ROCHOW (1734-1805) verbunden. Noch heute besticht den Besucher die Geschlossenheit der historischen Anlage von Schloss und Park, Barockkirche und dem von Rochow 1773 errichteten Schulhaus, in dem sich seit 1992 auf Initiative des Reckahner Lehrers Otto Günther BECKMANN ein Schulmuseum befindet. Die jetzigen Bemühungen verfolgen das Ziel, die künftige Ausstellung im Schloss in die Einzigartigkeit dieses geschichtsträchtigen Ensembles in Reckahn einzubetten und für eine museal interessierte Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich zu machen.
Mit der gemeinsam von H. SCHMITT und F. TOSCH verantworteten Idee, Konzeption und wissenschaftlichen Beratung der Ausstellung wird zunächst versucht, die Architektur des Schlosses selbst als originale Lebens- und Wirkungsstätte von Rochow für den Besucher in den Mittelpunkt zu rücken. Dem Charakter des Hauses als historischer Quelle und als Ort der originalen Begegnung entsprechend werden die sechs Ausstellungsräume thematisch gestaltet. Hierfür konnte der renommierte Museumsgestalter Gerd FREY und Team zur Mitarbeit gewonnen werden.
Der Besucher wird in den Gartensaal, dem Hauptraum des Schlosses, treten und hier mit Friedrich Eberhard von Rochow als Patron, Domherr, Agrarreformer, pädagogischer Aufklärer und Philanthrop in eindrucksvoller musealer Inszenierung konfrontiert. Dafür stehen Exponate im Umfeld Rochows u.a. aus dem Dommuseum und Stadtmuseum Brandenburg / H. zur Verfügung.
In einem zweiten Saal steht das agrarreformerische Wirken Rochows im Mittelpunkt. Hier wird der wirtschaftliche Erfolg von Rochow auf seinen Gütern im Zusammenhang mit seinem aufklärerischen Denken und Handeln in Beziehung gesetzt. An keiner Stelle wird deutlicher, wie sehr Rochow gegen Unwissenheit, Aberglaube und Dummheit der ländlichen Bevölkerung ankämpfte und selbst mit praktischem Beispiel zur Beförderung der Vernunft voranging. Als erster Direktor der Märkischen Ökonomischen Gesellschaft zu Potsdam gelang es Rochow, u.a. im Verein mit namhaften Vertretern der Berliner Aufklärungsgesellschaft, seine Ideen in Wort, Schrift und Tat praxiswirksam zu verbreiten.
In einem dritten musealen Raum wird Rochow u.a. als Domherr und Mitbegründer des ersten preußischen Landschullehrerseminars in Halberstadt und als enger Freund des Fürsten von Anhalt-Dessau, Leopold Friedrich Franz (1740-1817), thematisiert. Dabei werden in der Ausstellung u.a. originale Objekte im Umfeld des Dessauer Philanthropins den epochemachenden Neuansatz aufgeklärter Reformpädagogik im ausgehenden 18. Jahrhundert markieren.
In einem vierten und fünften Raum wird Reckahn als ‚pädagogisches Mekka` des 18. Jahrhunderts ‚entdeckt`. Wie sonst ist es zu erklären, dass nach 1773 in zwei Jahrzehnten mehr als 1200 Besucher aus nah und fern ‚scharenweise` an die Rochowsche Schule nach Reckahn kamen, um dem unspektakulären und kinderfreundlichen Unterricht des Lehrers Heinrich Julius BRUNS (1746-1794) beizuwohnen und um dabei v.a. seine ‚neue Lehrart` kennen zu lernen. Die museale Konzeption will hier v.a. die Besucherströme nach Reckahn museal aufbereiten, dabei können nur wenige Namen aus der langen Liste der gesellschaftlichen und pädagogischen Prominenz des späten 18. Jahrhunderts (so der preußische Minister Freiherr von ZEDLITZ, das gesamte Berliner Oberkonsistorium, der Verleger Friedrich NICOLAI, Erziehungsschriftsteller und Schulreformer wie BASEDOW, BAHRDT, CAMPE, EHLERS, FISCHER, FUNK, GEDIKE, LIEBERKÜHN, NIEMEYER, RESEWITZ, SALZMANN, STUVE, VILLAUME ...) in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken. Das von Lehrer Bruns eigenhändig geführte "Verzeichnis der Besucher der Reckahnschen Schule" wird im Original gezeigt. Die Schule in Reckahn wird als "Muster aller Landschulen" für die preußische Volksschulentwicklung im 19. Jahrhundert charakterisiert und dabei v.a. die Bedeutung des Rochowschen "Kinderfreundes" (Teil 1: 1776, Teil 2: 1779) gewürdigt. Kein anderes Lesebuch hat bis weit ins 19. Jahrhundert hinein nahezu eine Millionenauflage erreicht und dadurch v.a. die preußische Volksschulent-wicklung nachhaltig beeinflusst. 
In einem sechsten Ausstellungsraum wagen die Organisatoren ein Experiment und versuchen, die historische Brücke über die Gegenwart in eine ‚Zukunftswerkstatt` zu schlagen. Hier soll Rochows bildungspolitische und pädagogische Bedeutung für aktuelle und künftige Forderungen von Schulreform und pädagogischer Schulentwicklung befragt werden. 
Bis zum Eröffnungstermin am 22. Juni 2001 gibt es noch viel zu tun. Parallel zur Sanierung des Hauses müssen Exponatrecherchen, Leihverkehr sowie Katalogarbeiten in einem äußerst begrenzten Zeitrahmen abgeschlossen sein. Die Brandenburgische Schlösser GmbH, die weitere finanzielle Mittel in Millionenhöhe in die Sanierung des Schlosses einfließen lässt, ist bauseitig für die hoffentlich termingerechte Fertigstellung der Museumsräume verantwortlich. Antje SIPPACH wird die Projektkoordination vor Ort übernehmen.
Für die Ausstellung konnten u.a. der Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs Potsdam, Dr. Klaus NEITMANN, sowie der Leiter der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin, Christian RITZI, als überaus kompetente Kooperationspartner gewonnen werden.
Wir sind davon überzeugt, dass sich das Schloss Reckahn - 50 km vor den Toren der Metropole Berlin - über das Preußenjahr 2001 hinaus - zu einem Juwel und festen Bestandteil in der bundesdeutschen Museumslandschaft entwickeln wird.
Informationen zum Preußenjahr im Internet: www.preussen-2001.de
Kontakt: Antje Sippach, c/o Förderverein Historisches Reckahn e.V., Dorfstr. 23,
14778 Reckahn, Tel.: 0170 / 3177429; e-Mail: schloss.reckahn@gmx.de 

Erfassungsdatum: 26. 01. 2001
Korrekturdatum: 02. 04. 2004