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HBO Datenbank - Bericht

Autor: Bosche, Anne
Titel: „Edieren und Editionen bildungshistorischer Quellen“ vom 1./ 2.12.2006 am Institut für historische Bildungsforschung Pestalozzianum (IHBF) der Pädagogischen Hochschule Zürich
Erscheinungsjahr: 2006
zusätzl. Angaben zum Autor: Institut für historische Bildungsforschung Pestalozzianum (IHBF) der Pädagogischen Hochschule Zürich
Text des Beitrages:


Editionen sind neben der Quellenarbeit in Archiven häufig die Grundlage historischer Bildungsforschung. Sie erleichtern die Forschungsarbeit, prägen aber gleichzeitig auch die Struktur und Gestalt der Forschung massgeblich. Bislang veranstalteten BildungshistorikerInnen meist Tagungen zu inhaltlichen und zeitspezifischen Themen. Der Prozess des Edierens hingegen wurde selten explizit fokussiert. Diese Lücke schliessen nun die Sektion Historische Bildungsforschung in der DGFE, die Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung und das Institut für historische Bildungsforschung Pestalozzianum (IHBF) der Pädagogischen Hochschule Zürich. Am 1. und 2. Dezember 2006 wurde in Zürich eine Tagung mit dem Titel „Edieren und Editionen bildungshistorischer Quellen“ durchgeführt. Mit dem Ziel, Entscheidungsprozesse und Praktiken des Edierens zu fokussieren, wurde die Tagung in drei Themenbereiche gegliedert. Zunächst wurden Editionen vollständiger Werke und Briefwechsel getrennt von Teileditionen und Editionen alltagsgeschichtlicher Quellen betrachtet. Den zweiten Bereich bildeten Techniken elektronischen Edierens und den dritten die Verlagsinteressen.

In dem Schwerpunktteil der unterschiedlichen Editionsarten stellte zunächst Rebekka Horlacher (Zürich) die Edition „Briefe an Pestalozzi“ vor. Ausgangspunkt dieser Edition ist ein historisch-theoretischer Rahmen, der die Relevanz des Kontextualisierens von Quellen hervorhebt, um deren Entstehungsrahmen und die zeitgeschichtliche Bedeutung zu verstehen. Deshalb seien Schriften „pädagogischer Helden“ nur in deren sozialen und thematischen Kontext zu lesen, wodurch Briefe an Pestalozzi ein grosses Gewicht erhalten. Danach sprach Sylvia Schütze (Hannover) über „Diesterweg - Sämtliche Werke“. In ihrem Vortrag wurde die Entwicklung und Veränderung von Werken über mehrere Auflagen hinweg deutlich. Anhand solcher Längsschnittbetrachtungen werden thematische Entwicklungen des Autors und zeitgenössische Einflüsse erkennbar. In einem gerade laufenden Projekt werden auch Briefe von Diesterweg ediert, um anhand seiner Kontakte die Werke thematisch kontextualisieren zu können. Karl Christoph Lingelbach (Frankfurt/M.) trug über die „Werkausgabe der pädagogischen Schriften Adolf Reichweins“ vor, wobei die Bedeutung der originalgetreuen Wiedergabe der Quellen in Editionen hervorgehoben wurde. Hanno Schmitt (Potsdam) referierte über „Sämtliche Briefe von und an Joachim Heinrich Campe“. Im Vordergrund stand der Entscheidungsprozess, welche Briefe in welchem Ausmass bei dem langen Zeitraum von 1766 bis 1814 ediert werden. Der Fokus dieser Edition liegt auf pädagogisch relevanten Briefen. Kontrovers diskutiert wurde zu den Editionen vollständiger Werke die Genauigkeit der Textkritik und Sacherklärungen, ebenso wie ethische Fragen, wie beispielsweise der Umgang mit Arzt- oder Liebesbriefen. Ein Schwerpunkt der Diskussion lag auf der pädagogisch-thematischen Selektion von Briefen. Soll von Edierenden eine thematische Vorauswahl getroffen werden oder nicht und wenn ja, nach welchen Kriterien? Eine entscheidende Rolle bei der Überlegung Quellen zu selektieren, spielen der Quellenumfang und damit zusammenhängend die Verlagsinteressen, was zu einer Diskussion von elektronischem Edieren führte.

In dem Bereich Teileditionen sprach zunächst Daniel Tröhler (Zürich) über die Edition der Vorlesung von George Herbert Mead „Philosophy of Education“. Die Eigentümlichkeit dieser Edition ist, dass die gleiche Edition in zwei Sprachen erscheinen soll, was unter anderem Probleme der Handhabung handschriftlicher, englischsprachiger Anmerkungen in der deutschen Textkritik hervorruft. Inhaltlich ist Meads Vorlesung eine spannende neue Quelle, die gerade im Vergleich zu Deweys Vorlesung mit dem gleichen Titel neue Forschungsperspektiven bietet. Diskutiert wurde generell die Notwendigkeit von zweisprachigen Editionen, da Forschende die Sprache des Originaltextes beherrschen sollten um zu forschen, denn Übersetzungen sind immer Interpretationen eines Textes. Helmut Heiland (Duisburg) stellt das Editionsprojekt „Friedrich Fröbel – Briefe“ vor, das elektronisch und teilweise gedruckt erscheinen soll. Herr Heiland hob die Relevanz des pädagogischen Werts des zu edierenden Werks ebenso hervor wie den Verstehensprozess der Edierenden. In der anschliessenden Diskussion wurde zu Bedenken gegeben, dass Edieren von Anschlussforschung zu trennen sei.

Der Bereich Edieren von alltagsgeschichtlichen Quellen wurde von Heidemarie Kemnitz (Braunschweig) mit dem Thema „Lehrervereinsprotokolle“ eröffnet. Die vorgestellten Protokolle der Berlinischen Schullehrergesellschaft liegen für den Zeitraum von 1813-1875 und 1882-1892 bereits im Word-Format vor und sollen nun ediert werden. Inhaltlich geben sie ebenso Aufschluss zu der Verberuflichung von Lehrern wie zu lokalen Praktiken und Themen, die im Alltag der Lehrer zu bestimmten Zeiten eine hohe Relevanz besassen. Andrea Schwab (Zürich) berichtete in ihrem Vortrag über „Die Schul-Umfrage im Kanton Zürich 1771/72“. Diese Umfrage zu Schule und Unterricht auf der Zürcher Landschaft wurde elektronisch ediert, um so systematische Untersuchungen zu gewährleisten. Frau Schwab plädierte dabei sowohl für die Transparenz des Editionsprozesses als auch für das originalgetreue Edieren der Quellen. Diskutiert wurde hierbei die Notwendigkeit von Textkritik und die Bedeutsamkeit, solche alltagsgeschichtlichen Quellen generell zugänglich zu machen. Die Überlieferung von formalen Angaben zum Dokument wurde im Hinblick auf das Spannungsverhältnis von Authentizität und Lesefreundlichkeit besprochen.

Stefan Cramme (Berlin) referierte zu dem Aspekt der Editionstechniken über „Elektronisches Edieren am Beispiel der Fröbelbriefe“. Nach einer grundlegenden Darstellung von Vorteilen, zum Beispiel der systematischen Suchfunktionen, und Nachteilen, beispielsweise der schnelllebigen Soft- und Hardware, stellt Herr Cramme die Auszeichnung von Computereditionen nach dem Standard der Text Encoding Initiative (TEI) vor. Diese TEI-basierten Editionen sind nicht an bestimmte Ausgabeformate gebunden. Diskutiert wurde diesbezüglich allgemein der Nutzen von elektronischen Editionen.

In dem abschliessenden Teil rekonstruierte Andreas Klinkhardt (Bad Heilbrunn) in seinem Vortrag „Erfahrungen mit Quelleneditionen“ die Planungsphase der Reihe „Klinkhardts pädagogische Quellentexte“, deren erster Band 1969 erschien. Herr Klinkhardt stellte anschaulich die Verbindung von Wirtschaft, der Situation des Verlags und persönlichen Kontakten dar. Diese Beziehungen prägen Editionen stark, so das Fazit. Diskutiert wurde vor allem der kontemporäre Aspekt, von dem das Erscheinen von Editionen stark abhängt.

Im Resumée wurde bemängelt, dass editorische Standards fehlen und dass es diese zukünftig zu bilden gelte. Allerdings wurde kontrovers diskutiert, ob diese Standards eine grundlegende Orientierung darstellen, einen einheitlichen Massstab vorgeben oder ausschliesslich der Transparenz der editorischen Regeln dienen sollten. Neben dem Vorhaben weitere Workshops und Netzwerke zum Thema „Edieren“ zu schaffen, wurde zum Schluss allgemein die Idee gut geheissen, eine Online-Plattform zu erstellen, in der BildungshistorikerInnen ihre bisherigen Recherchen, insbesondere Biographien, zur Verfügung stellen.

Schlagwörter: Bildungsgeschichte; Tagung; Edition; Quelle; Schweiz; Deutschland
Eingetragen von: heinicke@bbf.dipf.de
Erfassungsdatum: 03. 01. 2007
Korrekturdatum: 03. 01. 2007