Text der Rezension: |
Amlung, Ullrich
/ Helmchen, Jürgen / Sandfuchs, Uwe (Hrsg.): Das Schulmuseum. Aufgaben,
Konzeptionen und Perspektiven
Weinheim und
München: Juventa Verlag 1997
(Dresdner Studien
zur Erziehungswissenschaft und Sozialforschung)
Br., 216 S.,
ISBN 3-7799-1303-8, DM 38,-
Rezensiert fuer
HBO von
PD Dr. Inge
Hansen-Schaberg (DRSchaberg@aol.com)
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In Deutschland
sind weit mehr als hundert schulmuseale Einrichtungen registriert, von
denen lediglich ein kleiner Teil als "echtes Schulmuseum" gelten kann.
Was unter dem Begriff "echtes Schulmuseum" zu verstehen ist, welche Voraussetzungen
und Besonderheiten der musealen Aufgabenstellung des Sammelns, Bewahrens,
Erforschens und Präsentierens erfüllt sein müssen und welche spezifischen
museumspädagogischen und didaktischen Konzeptionen im einzelnen vorliegen,
versucht der vorliegende Sammelband "Das Schulmuseum" zu vermitteln. Die
Mehrzahl der Beiträge sind aus einem, leider zeitlich nicht ausgewiesenen
Symposium an der TU Dresden hervorgegangen.
In dem Vorwort
der Herausgeber wird die Notwendigkeit von Schulmuseen nachgewiesen, denn:
"Schule als Spiegel von sozialer Geschichte, das fordert die Umkehrung
heraus: Sozialgeschichte der Schule." (S. 6). Da die Geschichte der Schule
aber nicht denkbar ist ohne "die materialen Zeugnisse eines bestimmten
vergangenen Lernens, einer Didaktik, der Methoden: Fibeln also, Interieurs
von Klassenzimmern, Schulbänke, die Eselskappe für den Dummkopf, die
Architektur der Schule: wo liegt das Zimmer des Direktors - und liegt es
immer dort? Pausenhöfe, Spiel- und Lerngerät - alles Kultur- und Sozialgeschichte"
(S. 6), sind Schulmuseen erforderlich. Diesen einleitenden Vorbemerkungen
folgt dann ohne vorherige Kommentierung das Inhaltsverzeichnis, das keine
strukturierende Hilfe gibt und einen sachlogischen Zusammenhang nicht erkennbar
werden lässt. Nach der Lektüre der einzelnen Beiträge ergibt sich aber
die folgende inhaltliche Dreiteilung in dem Sammelband:
Die ersten drei
Texte von Max Liedtke, Rudolf W. Keck und Ulla M. Nitsch sind Grundsatzbeiträge
und Übersichtsartikel zur Legitimation, Geschichte und Entwicklung bis
hin zu aktuellen konzeptionellen Ausgestaltungsvarianten von Schulmuseen
oder besser "Pädagogischen Museen", wie Ulla M. Nitsch sie bezeichnet
(Nitsch S. 59).
Zweitens werden
einzelne Schulmuseen in ihrer Entstehungsgeschichte, ihren Sammel-, Ausstellungs-
und Forschungsschwerpunkten vorgestellt, nämlich von Reiner Lehberger
das Hamburger Schulmuseum, von Frank Tosch/Otto Günther Beckmann die Rochowsche
Schule in Reckahn, von Uli Jungbluth das Museum in der Schule in Selters/Westerwald,
von Ullrich Amlung die Dresdner Schulmuseen, allerdings unter historischem
Aspekt, nämlich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, von Rudi Schulz
das Berliner Schulmuseum, das in der dort vorgestellten Variante jedoch
inzwischen historisch überholt ist. Deshalb wurde ein von Nele Güntheroth
im März 1996 verfasster Beitrag hinzugefügt, der über die Entwicklung
eines neuen Profils als Museum für Kindheit und Jugend im Berliner Stadtmuseumsverband
informiert.
Drittens werden
Konzeptionen, ausstellungsdidaktische Prinzipien und museumspädagogische
Arbeitsweisen und Perspektiven innerhalb der einzelnen Museumsbeispiele
erörtert, aber auch in Einzelbeiträgen thematisiert: Rita Weber gibt
spannende Einblicke in die didaktische Konzeption der Ausstellungen der
Berliner Arbeitsgruppe Pädagogisches Museum, die nun institutionell im
Museum für Kindheit und Jugend aufgehoben ist; Hermann Stöcker zeigt
am Beispiel der Rekonstruktion einer künstlerischen Wandgestaltung in
einer ehemaligen Bremer Versuchsschule die Relevanz von bildlichen und
gegenständlichen Quellen für die pädagogisch-historische Forschung auf;
Ullrich Amlung, Jürgen Helmchen und Uwe Sandfuchs stellen die Konzeption
für das Schulmuseum Dresden vor, dessen Neueinrichtung in Räumen des
ältesten und traditionsreichsten Schulgebäudes, der 48. Grundschule in
Dresden-Friedrichstadt, geplant ist.
Nach diesem
kurzen Überblick möchte ich jetzt einige Aspekte der inhaltlichen Ausführungen
herausgreifen, die als Lesehilfe und Führung durch den Sammelband gedacht
sind und die geeignet erscheinen, die aktuelle Schulmuseumsbewegung in
ihrer Variationsbreite vorzustellen.
1. Gründe
für die Entstehung von Schulmuseen
Bereits im letzten
Jahrhundert und insbesondere nach der Jahrhundertwende wurden im Deutschen
Reich "Schulmuseen" eingerichtet, die "Dokumentationsstellen für Fortschritte
in der Unterrichtstechnologie" und "`Musterschauen` für Schulmöbelkollektionen,
Schulbibliotheken" (Keck S. 28 f.) waren, die "durch pädagogische Bibliotheken
und Ausstellung moderner Lehrmittel der `Hebung` des Lehrerstandes und
des Unterrichts dienen sollten." (Nitsch S. 47). Ein Beispiel für derartige
"Schulmuseen" gibt der Beitrag von Ullrich Amlung, unter Mitarbeit von
Birgit Gütersloh: Anfang des 20. Jahrhunderts wurden in Dresden drei Schulmuseen
gegründet, deren umfangreiche Sammlungen bei den Bombenangriffen auf Dresden
im Februar 1945 vollständig zerstört wurden: 1. das Schulmuseum des Sächsischen
Lehrervereins, das ein Lehrmittelmuseum zum Zweck der Verbesserung der
Lehrmittel und zur Fortbildung der Lehrer war, 2. das Heimatkundliche Schulmuseum
des Dresdner Lehrervereins und 3. das Seminarmuseum des Sächsischen Seminarlehrervereins,
das sich als Sammel-, Forschungs- und Präsentationsstelle für die Geschichte
des sächsischen Seminarwesens verstand.
Auch wenn die
Sammlungsgegenstände und -absichten möglicherweise die gleichen sind,
beziehen sich die seit den 70er Jahren in der BRD entstehenden Schulmuseen
nicht auf diese Museumstradition, sondern gründeten sich, um Erinnerungen
an vergangene Lehr- und Lernwelten auszustellen (Nitsch S. 45 f.). Der
Hintergrund dafür liegt in "schulstrukturelle(n) Veränderungen, in denen
Unmengen von Schulgebäuden und schulischer Gebrauchsgegenstände ihren
`Sitz im Leben` verlieren und als frei vagabundierendes sächliches Gut
museales Interesse wecken." (ebd. S. 46). Meist sind Impulse mit persönlicher
Färbung bei der Aufbewahrung von Relikten vorhanden, denn "prägende Lebenserfahrungen
und wesentliche Elemente der Berufssozialisation und ein wesentliches Stück
Schulwirklichkeit" würden andernfalls unwiederbringlich verlorengehen
(ebd. S. 45). Demzufolge haben heutige Schulmuseen andere Aufgaben als
die erste Generation von "Schulmuseen".
2. Über die
Aufgabe der Schulmuseen
Max Liedtke
äussert sich in seinem Beitrag folgendermassen: "Die primäre Aufgabe
besteht darin, Erinnerungen zu sichern, Anlass zu Fragen, zu eigenem Nachdenken,
Anlass zu freudigem Nachvollzug geschichtlicher Erfahrungen zu sein (...),
seine Objekte in einer Weise darzustellen, dass auch Hintergründe, Zusammenhänge,
geschichtliche Auswirkungen deutlich" werden (Liedtke S. 21). Schulmuseen
sollen zudem qualitativ neue Zugänge zur Schulgeschichte eröffnen (Nitsch
S. 46), "den eigentlichen Motor für eine museale Auseinandersetzung mit
Schul- und Pädagogikgeschichte" bilden" (ebd. S. 59). Zusammenfassend
formuliert Rudolf W. Keck die Aufgaben der Schulmuseen, nämlich Sammeln
und Archivieren, Dauer- und Wechselausstellungen organisieren und historische
Bildungsforschung initiieren (Keck S. 34).
3. Unterscheidungsmerkmale
Ulla M. Nitsch
unternimmt in ihrem Beitrag den Versuch, die schulmuseale Landschaft zu
strukturieren. Dabei unterscheidet sie zwei grosse Gruppen von Schulmuseen:
"Die einen beziehen ihre Benennung von Schule oder von Schülern her. Sie
stellen etwas für den Unterricht bereit oder sind selbst Unterrichtsprodukt;
die anderen heissen so, weil sie Dinge verwalten, die aus vergangenem Schulleben
stammen." (Nitsch S. 47). Die Erstgenannten bezeichnet sie als "Unterrichtsmuseen",
die "im Kern pädagogisch geprägte Museumssimulationen" sind (ebd. S.
49), und stellt einige Varianten konkreter Beispiele vor (ebd. S. 47 ff.).
Die Zweitgenannten sind die sog. "echten Schulmuseen", die Ulla M. Nitsch
näher untersucht (ebd. S. 54 ff.) und nach drei unterschiedlichen Ausgangslagen
einteilt: "Eine kleine Gruppe (3/17) nimmt ihren Anfang wegen eines leerstehenden
Schulhauses, die weitaus meisten Schulmuseen (10/17) werden durch freigesetztes
schulisches Inventar und Mobiliar angeregt. Eine letzte Gruppe (4/17) entsteht
absichtsvoll auf der Grundlage einer konzeptionell ausgefalteten Schulmuseumsidee."
(ebd. S. 54)
4. Inhaltliche
Schwerpunktsetzung
Die in dem Sammelband
vorgestellten Schulmuseen haben in ihren Sammlungen und in der schulgeschichtlichen
Forschung unterschiedliche, meist von regionalen Gegebenheiten und Besonderheiten
herrührende Schwerpunkte gesetzt und Profile gebildet, von denen im folgenden
einige kurz skizziert werden sollen (weitere Beispiele bei Rudolf W. Keck,
S. 34 ff.):
- Im 1991 eröffneten
Hamburger Schulmuseum sind vier Themenkreise aus der deutschen Schulgeschichte
mit Hamburger Zuschnitt vertreten, die Schule in der Kaiserzeit, in der
Weimarer Republik, in der NS-Zeit und in der Nachkriegsperiode (1945 -
50er Jahre) (Lehberger S. 66 ff.).
- Die Rochowsche
Schule in Reckahn wurde 1992 in dem Schulhaus von 1773 in der Absicht eröffnet,
"in einer Gedenkstätte umfassend das Leben und Wirken von Friedrich Eberhard
von Rochow mit besonderer Berücksichtigung seiner Verdienste als `Vater
der preussischen Volksschule`" darzustellen (Tosch/Beckmann S. 137), die
Leistungen des Lehrers Heinrich Julius Bruns zu würdigen, die Rochowsche
Schule erlebbar zu machen und die regionale Schulgeschichte zu dokumentieren
(ebd. S. 137 ff.).
- In Dresden
ist die Einrichtung einer Dokumentations-, Forschungs- und Präsentationsstelle
zur Entwicklung des allgemeinbildenden Schulwesens und der Lehrerbildung
in Dresden, evtl. unter Einbeziehung des Bestandes aus dem von 1986 bis
1992 existierenden Schulmuseum, geplant, das folgendermassen strukturiert
sein könnte:
"1. Überblicksdarstellung
der Schulentwicklung in Dresden vom späten Mittelalter bzw. von der frühen
Neuzeit bis zur Einführung der allgemeinen Schulpflicht in Sachsen im
19. Jahrhundert und der Einrichtung von Schulbehörden und Lehrerbildungsstätten,
2. Kaiserzeit und Erster Weltkrieg, 3. Reformpädagogik und Weimarer Republik,
4. Schule während der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs, 5. Neuanfang
nach 1945 in der SBZ und Ausformung des Bildungswesens in der DDR" (Amlung/Helmchen/Sandfuchs
S. 196). Ein kleiner Hinweis an die Autoren sei erlaubt: Das "und" beim
2. und 4. Punkt ist etwas irritierend und sollte in künftigen Darstellungen
einem "incl." weichen, damit der strukturelle Zusammenhang von "Krieg und
`Frieden`" erhalten bleibt.
- Das einzige
Museum, das nach überregionalen Gesichtspunkten arbeitet, befindet sich
in Berlin. Schon das 1986 innerhalb der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften
der DDR gegründete Berliner Schulmuseum verfolgte die Absicht, "die Bildungsgeschichte
Deutschlands und der SBZ/DDR als partielle Rekonstruktion des tatsächlichen
Schulalltags in seinem sozialen Umfeld darzustellen" (Schulz S. 85). Mit
der jetzigen Profilbildung als Museum für Kindheit und Jugend werden neben
Gegenständen aus der Erziehungs- und Schulgeschichte auch das weitere
Umfeld von Schule, also der private Erlebnisbereich von Kindern und Jugendlichen,
Spielzeugsammlungen, die Vorschulerziehung, sowie historische Relikte aus
der DDR-Geschichte in die historisch-pädagogische Sammlung einbezogen
(Güntheroth S. 97 f.).
5. Konzeptionelle
und didaktische Überlegungen
Im Zentrum der
museumspädagogischen Arbeit stehen die Ausstellungskonzeption und die
didaktischen Entscheidungen. In dem Sammelband finden sich einige hochinteressante
Beispiele dafür, welche unterschiedlichen Ansätze verfolgt werden:
a) Das Schulmuseum
als Ort historischen Lernens
Im Hamburger
Schulmuseum wurde "in dem Spannungsfeld von authentischer Rekonstruktion
und konzeptioneller Intention letzterer meist den Vorrang gegeben" (Lehberger
S. 68). Historisches Lernen im Schulmuseum findet dort statt durch
- Kontextualisierung,
d.h. "Einbettung von Schule in ihren jeweiligen sozialen und politischen
Kontext" (ebd. S. 71), dadurch kann Schule als ein Element der kindlichen
Lebenswelt erkennbar werden.
- Kontrastierung
des historischen Materials, nämlich einerseits die "bewusst gesetzte Präsentation
von Kontrasten" innerhalb des historischen Materials (Lehberger S. 72)
und andererseits durch die Kontrastierung von Vergangenheit und Gegenwart,
damit die Besucherinnen und Besucher die "eigene Erfahrung mit einbeziehen,
reflektieren und erweitern" können (ebd. S. 74); denn das Selbstverständnis
des Hamburger Schulmuseums gründet sich "mehr auf Infragestellung der
eigenen Haltung des Besuchers, das Fremdmachen vertrauter Positionen, als
auf das Präsentieren von Problemlösungen" (ebd. S. 75).
- Handlungsorientierung:
Im Naturkunderaum aus der Weimarer Republik bieten sich zahlreiche Möglichkeiten
des praktischen Tuns, so dass die sog. "Schülerselbsttätigkeit" im reformorientierten
Naturkundeunterricht praktisch nachempfunden werden kann (ebd. S. 76).
Ein anderes Beispiel dafür ist das Rollenspiel "Alte Schule" im Klassenzimmer
aus der Kaiserzeit, das Bestandteil eines Unterrichtsprojekts ist und Erfahrungsräume
für historisches Lernen eröffnet (ebd. S. 76 f.).
b) Zu den
Ausstellungen der Berliner Arbeitsgruppe Pädagogisches Museum
"Drei ausstellungsdidaktische
Grundsätze - `Schule im gesellschaftlichen Zusammenhang und Allgemeines
im Einzelnen zeigen`, `selbständiges Aneignen ermöglichen` und `sinnliche
Wahrnehmungen ansprechen`" (Weber S. 107) - erläutert Rita Weber in ihrem
Beitrag und veranschaulicht sie mit Bildern aus den Ausstellungen "Hilfe
Schule" (1981), "Heil Hitler, Herr Lehrer" (1983) und "Ich bin kein Berliner.
Minderheiten in der Schule" (1987). Besonders eindrucksvoll zur Vermittlung
der gesellschaftlichen Zusammenhänge sind die Rekonstruktionen eines Kellerwohnraums
und eines Klassenzimmers der neuen Armenschule von 1827 (Abb. 3, S. 109)
sowie die lebensgrossen Puppen, die z.B. eine Arbeiterfamilie um 1827 darstellen
(Abb. 2, S. 108) und auf Knopfdruck über sich erzählen. Ein selbständiges
Aneignen der Ausstellungsinhalte wird u.a. durch den Wiedererkennungseffekt
erreicht. Gleichbleibende Raumstrukturen versinnbildlichen z.B. vier Entwicklungsabschnitte
der Berliner Volksschule im Nationalsozialismus, nämlich die Turnhalle
als nationalsozialistische Erziehungsstätte, als Lagerraum für Getreide,
als Lazarett und als durch den Krieg zerstörten Raum (Abb. 5, S. 112).
Die sinnliche Wahrnehmung wird z.B. durch die Inszenierung eines begehbaren
"Lebensraums" einer Berliner Schülerin um 1930 (Abb. 9, S. 115) und durch
Installationen zur Verdeutlichung von eingeschränkter Bewegungsfreiheit,
nämlich durch "Stolperbalken" und "Flügeltür-Barriere" (Abb. 6, S. 113)
ermöglicht. Und immer wird eine direkte Ansprache der Besucherinnen und
Besucher angestrebt, z.B. in der "Minderheiten"-Ausstellung im Raum "Nirgendwo",
der Denkanstösse für ein interkulturelles Leben und Lernen geben soll
(Abb. 1, S. 104), denn "unterstellt werden eigene Urteilsfähigkeit in
der selbstreflexiven Auseinandersetzung mit dem Dargestellten und die Lust
am aktiven, Kopf und Körper einbeziehenden Umgang mit dem Ausstellungsangebot."
(Weber S. 117)
c) Zeitreisen
im fachdidaktischen Labor
Die geschichtliche
Entwicklung einzelner Schulfächer und insbesondere der Aspekt Sprache
als Medium des Unterrichts sind von Schulmuseen bisher wenig aufgearbeitet
worden. Tilmann Grammes schlägt in seinem Beitrag vor, mit Videoaufzeichnungen,
Hörinstallationen und Wortprotokollen originale Unterrichtsstunden nachzuerleben,
nachzugestalten und zu reflektieren und sich auf diese Weise mit der jüngsten
Zeitgeschichte der BRD und DDR in einem Unterrichtslabor auseinanderzusetzen.
d) Museum
in der Schule. Ein Modellversuch im Westerwald
Packendes zum
Anfassen als Gegenbewegung zum Verlust der Sinnlichkeit anhand von Dingen
aus der Landschaft des Westerwaldes von etwa 1890 bis 1960 - das, so schreibt
Uli Jungbluth, soll Geschichtsbewusstsein vermitteln. Deshalb ist MU .SE
(zur Namensgebung siehe Jungbluth, S. 167) als Spiel-, Probier- und Erlebnisraum
konzipiert und will "kein nostalgisches Bild einer schönen interessanten
alten Zeit vermitteln, sondern die früheren Lebens-, Arbeits- und Wohnformen
in ihren Anstrengungen, Beschränkungen und Abhängigkeiten zeigen. (...)
MU .SE ist anschaulich, aktionistisch, kritisch und umwelterzieherisch
ausgerichtet." (ebd. S. 169). Für Klassenausflüge interessant ist, dass
nicht nur ein mehr oder weniger ausdauernder Tagesbesuch, sondern sogar
die Übernachtung auf dem schuleigenen Zeltplatz mit Lagerfeuer und Grill,
Sportplatz und Waldgelände direkt beim Museum möglich ist.
*
Es steckt viel
drin in diesem Sammelband! Er ist für die Auseinandersetzung innerhalb
der Schulmuseumsbewegung insbesondere hinsichtlich der ausstellungsdidaktischen
Fragen und Umsetzungen wichtig und für die historische Bildungsforschung
unverzichtbar, weil er den Wert bildlicher und gegenständlicher Geschichtsquellen
heraushebt und dafür plädiert, ihnen mehr zuzubilligen als lediglich
Illustrationscharakter. Das wird in den Beiträgen von Rita Weber, Reiner
Lehberger und Hermann Stöcker sinnlich erfahrbar, weil sie - ihrer wissenschaftlichen,
museumspädagogischen und museumsdidaktischen Profession entsprechend -
Fotografien aus ihrer Arbeit in den Text einbeziehen, was sich sehr anregend
auf das Lesen auswirkt. Eine Dokumentation der Sonderausstellungen ausgewählter
Schulmuseen (Stand August/September 1996) und eine Auswahlbibliographie
zur Geschichte von Schulmuseen im Anhang bieten zusätzliche Informationen.
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