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HBO Datenbank - Bericht

Autor: Ritzi, Christian
Titel: Übergabe der Arbeitsbibliothek Joachim Heinrich Campes an die Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung
Erscheinungsjahr: 2000
zusätzl. Angaben zum Autor: Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung
Text des Beitrages:
 

Joachim Heinrich Campes Arbeitsbibliothek wurde an die 
Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) übergeben
Wesentlich von Prof. Hanno Schmitt initiiert und befördert wurde der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung im März 2000 eine außerordentlich wertvolle Sammlung von 580 Bänden übergeben, die zum größten Teil aus Joachim Heinrich Campes Arbeitsbibliothek stammen. Es handelt sich dabei um Bücher aus dem Archiv des Vieweg-Verlages. 
Anlässlich dieser bedeutenden Schenkung lud die BBF am 8. Mai 2000 zu einer Feierstunde ein. Nach der Begrüßung durch den Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung, Prof. Lutz H. Eckensberger, sprachen Albrecht A. Weis, als Vertreter des Vieweg-Verlages, sowie Prof. Hanno Schmitt/Universität Potsdam (Geschichte des Nachlasses Joachim Heinrich Campes) und Dr. Jörn Garber/Zentrum für die Erforschung der europäischen Aufklärung (Zur Bedeutung des übergebenen Buchbestandes). Die Beiträge werden in HBO (Historische Bildungsforschung Online) und im "Mitteilungsblatt des Förderkreises der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung" veröffentlicht. 
Die engen Beziehungen zwischen Campe und Vieweg wurden bereits schriftlich ausführlich dargestellt (vgl. u.a. Hagen, Rolf: Die Gründung von Campes Schulbuchhandlung und die Übersiedlung des Vieweg-Verlages nach Braunschweig. In: Möller, Hans-Herbert (Hrsg.): Das Vieweg-Haus in Braunschweig. Hannover 1985, S. 7-20), so dass es hier genügt, an einige wichtige Stationen im Leben Viewegs zu erinnern, um zu verstehen, wie Campes Arbeitsbibliothek in das Viewegsche Verlagsarchiv gelangte. 
Der Gründer des Verlages Vieweg, Friedrich Vieweg, wurde am 11. März 1761 in Halle geboren. Sein Vater, Valentin Vieweg, war als Waisenkind im Halleschen Waisenhaus erzogen worden. Die dort erfahrene Förderung ermöglichte ihm das Erlernen des Schneiderhandwerks, in dem er es zu einem gewissen Wohlstand brachte. Auf dieser Grundlage konnte er einerseits seinen drei Söhnen eine gute Ausbildung ermöglichen (die beiden Brüder Friedrich Viewegs studierten Theologie) und zum anderen ein kleines Vermögen ansammeln, das nach seinem Tod die wesentliche finanzielle Basis für die Verlagsgründung bildete.
Statt wie seine Brüder Theologie zu studieren begann Friedrich Vieweg nach seiner Schulzeit eine Lehre in einem Magdeburger Handelshaus, die er jedoch nicht abschloss. Nach seiner Rückkehr nach Halle lernte er Friedrich Nicolai kennen, der ihn für den Beruf eines Verlegers bzw. Buchhändlers interessierte. In der Buchhandlung der Franke`schen Stiftung absolvierte er daraufhin eine Lehre. Seine erste Gehilfenstelle trat Vieweg in der Bohn`schen Buchhandlung in Hamburg an, wo er vermutlich den 15 Jahre älteren Joachim Heinrich Campe kennenlernte. Womöglich wurde der Eindruck, den der schon damals bekannte Philanthrop auf den angehenden Buchhändler machte, noch von dessen einziger Tochter Charlotte (der "Lotte" im Robinson) übertroffen ... !
Nach Abschluss der Lehre wechselte Vieweg 1784 von Hamburg nach Berlin, wo er eine leitende Stelle in der Buchhandlung Mylius in der Brüderstraße antrat. Diese Erfahrung ermutigte ihn, sich auf eigene Füße zu stellen. Die Gelegenheit dazu bot sich, als er nach dem Tod des Vaters 1785 eine nicht unbeträchtliche Erbschaft erlangte. Bereits ein Jahr später gründete er ebenfalls in der Berliner Brüderstraße die eigene Firma: Buchhandlung und Verlag Friedrich Vieweg.
Das Geschäft entwickelte sich zunächst gut, so dass der junge Verleger am 1. Oktober 1794 in der Berliner Scharrenstraße ein eigenes Haus beziehen konnte. Gerade in dieser Zeit geriet der Erfolg jedoch ins Stocken, denn im Kontext der französischen Revolution wurden die preußischen Zensurbestimmungen, der schlimmste Feind aller Verleger und Buchhändler, verschärft. In dieser Situation erreichte Friedrich Vieweg ein Angebot des braunschweigischen Herzogs Carl Wilhelm Ferdinand zur Übersiedlung nach Braunschweig. Die Kontakte zum Herzog, die 1799 schließlich zum Umzug führten, wurden wesentlich durch den seinerzeitigen braunschweigischen Schulrat, Verleger und Bestsellerautor Joachim Heinrich Campe vermittelt, dessen Tochter Charlotte Vieweg vier Jahre zuvor geheiratet hatte. Neben dem im Bereich der Zensur liberaleren Klima in Braunschweig erwartete Vieweg sicherlich eine geschäftliche Verbesserung durch die enge Beziehung zu Campes Verlag, der Braunschweigischen Schulbuchhandlung. Die beiden zunächst weiterhin selbständig agierenden Verlage rückten tatsächlich immer enger zueinander. 1804 zog die Schulbuchhandlung in das neuerbaute Gebäude des Vieweg-Verlags am Burgplatz, später wurde sie ganz integriert.
Nicht ohne Rückschläge, im Ganzen aber außerordentlich erfolgreich, expandierten die Geschäfte des Vieweg-Verlages. Auch unter den Nachfolgern des Gründers konnte der Vieweg-Verlag seine bedeutende Stellung im deutschen Verlagswesen bis heute behaupten, zeitweise sogar ausbauen, wenn er auch mittlerweile als Teil der Bertelsmann AG seine Selbständigkeit verloren hat. 
Die enge familiäre Beziehung zwischen Campe und Vieweg und die letztliche Fusion ihrer Verlagshäuser macht es verständlich, dass die Arbeitsbibliothek Joachim Heinrich Campes in das Archiv des Vieweg-Verlages aufgenommen wurde. Von herausragender Bedeutung ist der Bestand vor allem deshalb, weil viele Bände zahlreiche Notizen und Anmerkungen Campes enthalten. So etwa in
· Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke. Ein Ergänzungsband zu Adelungs Wörterbuche. Band 1-2. Braunschweig: Schulbuchhandlung 1801. Hunderte von Ergänzungen notierte Campe nach der Drucklegung der ersten Auflage auf in den Band eingeschossenen Blättern. In der 2., verb. Auflage, die 1808 im Grätzer Verlag Miller veröffentlicht wurde, sind die Ergänzungen noch nicht eingearbeitet worden, wohl aber in der Neuausgabe des Jahres 1815, die wieder in der Braunschweiger Schulbuchhandlung erschien.
· Johann Stuve: Lehrbuch der Kenntniß des Menschen. Braunschweig: Schulbuchhandlung 1790.
Neben diesen archivarischen Kostbarkeiten für die bildungshistorische, insbesondere die Campe-Forschung, finden sich bibliophile Raritäten wie etwa
· Das in der Braunschweiger Schulbuchhandlung erschienene Historisch-genealogische Taschenbuch sowie 
· das im Vieweg-Verlag erschienene, von Friedrich Gentz, Jean Paul und Johann Heinrich Voß herausgegebene Taschenbuch
Beide Reihen sind mit hochwertigen Kupferstichen versehen. Die Ausgabe des Jahres 1802 des Viewegschen Taschenbuchs enthält etwa Abbildungen von Volksfesten, die von Francois Catel gezeichnet und von W. Jury gestochen wurden.
Nach der schnellstmöglichen Katalogisierung sowie den teilweise notwendigen buchbinderischen und restauratorischen Bearbeitungen wird der Bestand erstmals seit Ende des 2. Weltkrieges der bildungshistorischen Forschung wieder zugänglich sein. Es ist wohl der wertvollste Zuwachs, den die Sammlung "Alte Drucke" der BBF in den letzten Jahren verzeichnen konnte.

Erfassungsdatum: 29. 05. 2000
Korrekturdatum: 02. 04. 2004