Die Seiten werden nicht mehr aktualisiert – hier finden Sie nur archivierte Beiträge.
Logo BBF ---
grün und orangener Balken 1   grün und orangener Balken 3

HBO Datenbank - Bericht

Autor: Kraas, Andreas
Titel: Nachwuchstagung der Sektion Historische Bildungsforschung in der DGfE
Erscheinungsjahr: 2001
Text des Beitrages:
 

Am Freitag, dem 30. Maerz 2001, fand die dritte Nachwuchstagung der
Sektion Historische Bildungsforschung in Berlin statt. Nach der ersten
dreitaetigen Nachwuchstagung in Ludwigsfelde bei Potsdam 1997 und
einer dann zweijaehrigen Pause wurde sie nun bereits zum zweiten Mal
in den Raeumen der Bibliothek fuer Bildungsgeschichtliche Forschung
(BBF) in der Warschauer Strasse in Berlin an zentraler Stelle
ausgetragen. Damit bewaehrt sich auch das Konzept einer jaehrlichen
und dafuer eintaegigen Tagung mit einer uebersichtlichen Anzahl von
Vortraegen und dem erwuenschten intensiven Austausch. Bereits zu
Beginn zeigten sich die Tagungsteilnehmer daher dankbar ueber die
‚Aufnahme` in den Tagungsraeumen der BBF.
Nach der Begruessung der etwa 30 Teilnehmer - darunter auch einige
Studenten - durch den Leiter der BBF, CHRISTIAN RITZI, den
Vorsitzenden der Sektion, Prof. Dr. UWE SANDFUCHS, sowie den
Organisator der Tagung, Dr. JOERG-W. LINK wurden sieben
bildungshistorische Forschungsprojekte vorgestellt. Mit Ausnahme des
bereits abgeschlossenen Magisterarbeitsprojektes von JOACHIM SCHOLZ
handelte es sich bei den Vortraegen um Dissertationsprojekte. Die
sieben Referate deckten ein breites Spektrum ab. Zeitlich waren Sie
vom 17. bis zum 20. Jahrhundert angesiedelt, inhaltlich ergab sich ein
Schwerpunkt vor allem auf schulpaedagogischen, aber auch allgemein-
und sozialpaedagogischen Fragestellungen. Im Einzelnen waren dies:
AGNES WINTER (Berlin): Das Gelehrtenschulwesen der Residenzstadt
Berlin-Coelln in der Zeit von Konfessionalismus, Pietismus und
Fruehaufklaerung (1640-1740); TANJA BLATTNER (Tuebingen): Der Ausbau
des wuerttembergischen Realschulwesens unter dem Innen- und
Kultusminister Johannes von Schlayer (1835-1848) - werbende
Schulpolitik im Spannungsfeld von Tradition und Fortschritt; JENS
ACKERMANN (Flensburg): Volksgesundheit und einer ihrer paedagogischen
Repraesentanten: Friedrich Paulsen; FLORIAN BERNSTORFF (Flensburg):
Evolutionstheorien und paedagogisches Denken. Rezeptionshistorische
Analysen der paedagogischen Literatur zwischen 1860 und 1914; MARNIE
SCHLUETER (Muenster): Das Reichsministerium fuer Wissenschaft,
Erziehung und Volksbildung oder die Verwaltung der Schule im
Nationalsozialismus; JOACHIM SCHOLZ (Potsdam): "Haben wir die Jugend,
so haben wir die Zukunft". Die Obstbausiedlung Eden (1893-1945) als
ein alternatives Gesellschafts- und Erziehungsmodell; KNUT ENGELER
(Oldenburg): Reformpaedagogik im Abseits? Untersuchungen zur Praxis
des Geschichtsunterrichts an hoeheren Schulen Deutschlands (1918-1933)
sowie zur Rezeption reformpaedagogischer Motive in der
Geschichtsdidaktik nach 1945.
Was muss eine Nachwuchstagung zu bildungshistorischen
Dissertationsprojekten leisten? Fuer die Referenten geht es zunaechst
darum, ihre Projekte zu praesentieren und darzustellen, sich einer
interessierten und kompetenten, aber auch verstaendnisvollen und
mitunter kritischen Fachoeffentlichkeit zu stellen. Darueber hinaus
soll sie Anregungen fuer den Arbeitsprozess liefern, kurz:
Rueckmeldung, Orientierung, Motivation und Kommunikation. Weiter ist
zu fragen: Wie wird aus einer interessanten Idee eine Dissertation?
Es war ein grosses Verdienst der Tagung, dass diese Schluesselfragen
eines Qualifizierungsvorhabens immer wieder thematisiert wurden und
auch die anwesenden ‚Profis` diese Fragen und Aufgaben im Blick
hatten: Den gewohnt humorvollen Moderationen von UWE SANDFUCHS und
JOERG-W. LINK gelang es immer wieder, eine sinnvolle Mischung aus
motivierenden und kritischen Hinweisen zu den vorgestellten Projekten
zu finden. Darueber hinaus standen wiederholt die auf eine
pragmatische und arbeitsoekonomisch sinnvolle Eingrenzung der
Fragestellung zielenden Aspekte einer Dissertation im Vordergrund der
Diskussion (beispielsweise durch HANNO SCHMITT und AXEL NATH). Es
wurde offensichtlich, dass eine Dissertation zumeist aehnliche Phasen
durchlaeuft: Die interessante und motivierende Beobachtung (oftmals an
Hand von Quellen), das Erschliessen notwendiger Quellen, die
Formulierung einer motivierenden und den Arbeitsprozess
strukturierenden Fragestellung vor dem Hintergrund eines meist engen
und vorgegeben Zeitrahmens.
Entsprechend dokumentierten die vorgestellten Projekte sehr
unterschiedliche Bearbeitungsstaende: Neben den von ihren
Fragestellungen und dem erschlossenen Quellenmaterial bereits weit
fortgeschrittenen und sehr anspruchsvollen Projekten von AGNES WINTER,
TANJA BLATTNER und MARNIE SCHLUETER standen in anderen Vortraegen die
Schwierigkeiten der Quellenerschliessung (KNUT ENGELER), einer
angemessenen Quellenauswahl (FLORIAN BERNSTORFF) sowie der
Formulierung einer sinnvollen Fragestellung (JENS ACKERMANN) im
Vordergrund der anschliessenden Diskussion. Wiederholt wurde deutlich,
dass sich die Anlage eines realistischen Projektes nur sinnvoll
zwischen Fragestellung und vorhandenem Quellenmaterial vollziehen
kann. Besonders deutlich wurde dies bei dem Vortrag von MARNIE
SCHLUETER: Das vorgestellte Projekt ueber das
Reichserziehungsministerium stiess im Plenum auf breite Zustimmung.
Hier wurde ein ausgesprochen anspruchsvolles Projekt vorgestellt,
dessen Ergebnisse offensichtlich von vielen anwesenden
Bildungshistorikern mit Spannung erwartet werden. Dem dichten Vortrag
folgte eine ebenso dichte, lebhafte und sehr ernsthafte Diskussion,
die sich u.a. der Frage stellte, wie sich wissenschaftlicher und
disziplinaerer Anspruch, Fragestellung und arbeitsoekonomische
Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes sinnvoll und notwendig
kombinieren lassen.
Die von allen Referenten eingehaltene Struktur von 20-minuetigem
Vortrag und anschliessender 25-minuetiger Diskussion unterstuetzte das
Gespraech ueber diese Fragen sehr gut. Die vorgestellten Projekte
praesentierten darueber hinaus durchweg zum Teil hochinteressante
Beobachtungen und Quellen und belegten damit, dass der Beginn von
Qualifizierungs- und Forschungsprojekten meist in ueberraschenden,
unerwarteten oder auch nur irritierenden Beobachtungen und
Quellenfunden besteht. Alle Vortragenden stellten ihre Themen darueber
hinaus sprachlich und inhaltlich anregend, zum Teil auch ausgesprochen
humorvoll vor, woraus sich schnell eine angeregte Diskussion
entwickelte.
Der teilnehmende Beobachter kann damit als Fazit festhalten:
Motivation, Zuspruch, aber auch eine klare Orientierung waren die
Aktiva der Tagung. Die Atmosphaere war heiter und konzentriert,
dadurch in der Sache ernsthaft, konstruktiv und hilfreich. Die
Nachwuchstagungen loesen ihren Anspruch zunehmend ein und sind damit
eine sinnvolle und wichtige, aber auch notwendige Einrichtung
geworden.
 
 

Erfassungsdatum: 24. 04. 2001
Korrekturdatum: 02. 04. 2004